Die Stelle seines Lebens

Seit über 50 Jahren ist Raimund Arnold Pfarrer in Ast. Heute wird er 88 Jahre alt.
Seit über 50 Jahren ist Raimund Arnold Pfarrer in Ast. Heute wird er 88 Jahre alt.

Ein ganzes Leben lang.... Zwar ist die Tragweite dieses Satzes irgendwie schon klar, wenn Pfarrer Raimund Arnold aber so erzählt, wird einem vor Augen geführt, was das wirklich heißt. Für die meisten Aster nämlich, dass sie in ihrem Dorf nie einen anderen Priester erlebt haben. Dass er es war, der geliebte Menschen getauft, getraut und beerdigt - eben ein ganzes Leben begleitet hat. “Eine Alterserscheinung”, sagt der 88-Jährige und es ist nicht das einzige Mal, dass feiner Humor durchblitzt.

 

Dass Raimund Arnold 1965 in Ast seine erste und einzige Pfarrstelle angetreten hat, ist “absolut außergewöhnlich”. Nach zehn bis 13 Jahren, so der Wunsch der Kirchenführung, solle ein katholischer Priester wechseln, erzählt er. Bei ihm sei eine Erkrankung dazwischen gekommen, “ich hatte einfach nicht die Kraft”, erklärt er. Die Idee, auf immer wieder neue Pfarreien und Gläubige zu treffen, hält er grundsätzlich für gut. Oftmals sei ein zu enges “Verwobensein” eher hinder- als förderlich. “Manche trauen sich dann nicht, mit mir zu reden”, weiß er aus Erfahrung.

 

Doch es gibt auch die andere Seite: persönliche Kontakte und Bindungen, die “wohl auch den ein oder anderen bei und in der Kirche halten”. Der Priester denkt die Konsequenz nur an. “Kann schon sein, dass mit mir ein paar gehen”, mutmaßt er. Was den allgemeinen Trend, weg von der Institution Kirche, nur bestätigen würde. Dabei bemerkt auch Pfarrer Arnold auf der anderen Seite, dass die Menschen sehr wohl Halt und Orientierung suchen.

 

Jugend “im Untergrund”

Der Blick auf die Zahlen ist dem 88-Jährigen zu einfach. Schließlich habe Ast auch wesentlich weniger Bewohner als noch vor 50 Jahren. Damals hatte er zwischen 20 und 30 Kommunionkinder, zuletzt waren es drei. Die Zahl der Katholiken schätzt er auf rund 770, zu Ast gehören aber zwölf weitere Ortschaften und vier Weiler. Für die übernimmt er neben Vielem anderen die Krankenbesuche (“da fahr ich schnell mal 40 Kilometer”) - eine Aufgabe, die ihm besonders am Herzen liegt. Er habe schon immer mit Menschen zu tun haben wollen, blickt Raimund Arnold auf die Berufswahl zurück. Maßgeblich beeinflusst war diese durch die Zeit in der katholischen Jugend. “Im Untergrund”, wie er mit Hinweis auf die Jahreszahlen 1942 bis 1955 betont.

 

Der Gefahr sei man sich natürlich bewusst gewesen, sagt er, einmal wurde die Gruppe verraten und von der Gestapo verhört. Auch die Erfahrungen kurz nach dem Krieg, als man als bekennender Ministrant Nachteile in Kauf nehmen musste, seien prägend gewesen. “Wir haben gelernt, für etwas einzustehen.” Mit dem Verräter habe er später wieder zu tun gehabt, “auch nicht leicht”.

 

Zwei Tage nach seiner Primiz musste er als Vertretung eines Pfarrers auf Reha innerhalb einer halben Stunde von seinem ersten Verstorbenen zur ersten Trauung. Wenn auch diese Abfolge krass war, hat er durch sie gelernt, nicht alles an sich heranzulassen. “Ich kann nicht bei jeder Beerdigung todtraurig sein”, sagt er. Routine dürfe aber nicht zu Leichtfertigkeit führen.

 

Immer, wenn er allerdings einen jungen Menschen beerdigen müsse, spüre er, “dass da ein Stück von mir mitgeht”. Schließlich habe er diese meist getauft, zur Kommunion begleitet und oftmals auch getraut. Dass sich vor seinen Augen immer wieder Lebenskreise schließen, ist nur begegnen möglich, weil er schon so lange in Ast ist, was er als Wohltat und Bürde zugleich empfindet.

 

Kein Gespräch ohne intensiven Blick auf die Kirche, seine Kirche; im Großen wie im Kleinen. Ast sei eine sehr aktive Gemeinde, mit vielen engagierten Mitarbeitern vom Austräger des Pfarrbriefs (“den mach' ich noch, das ist mein Hobby”) bis zum Kirchenpfleger. Gleichwohl kann Raimund Arnold nicht verhehlen, dass er nicht alles gut findet, was von der Kirchenführung kommt.

 

(Zu) viel Verwaltungsarbeit

Wenngleich er sich keine großen Sorgen macht, stimmen ihn doch Entwicklungen nachdenklich. Viele Priester würden von Verwaltungsaufgaben verschlungen, “dabei ist doch die Seelsorge unser Kerngeschäft”. Er selbst ist froh, dass die Verwaltung schon länger von Waldmünchen aus organisiert wird.

 

Der Geistliche sieht viele Dinge sehr realistisch. “Sollte ich eines Tages nicht mehr Autofahren können, bin ich hier verratzt”, sagt er ohne Verbitterung. Auch das Haus, das die Gemeinde gebaut hatte und in dem er seit 45 Jahren wohnt, wird “nach mir” sicher verkauft. Selbst, was das Zusammentreffen mit Menschen angeht, formuliert er deutlich, dass “es sicher welche gibt, die mich gerne in der Wüste sehen würden”.

 

Es wundert wenig, dass ihm ein Geburtstag (“da hab ich ja nichts dazu getan”) nicht wichtig ist. Wie Ehrungen und Titel. Wer etwa “Bischöflich Geistlicher Rat” zu ihm sage, “muss fünf Euro zahlen”. Wie eh und je ist der Tagesablauf von Pfarrer Arnold sehr strukturiert, am Alltag - mit Ausnahme des Mittagessens versorgt sich der Geistliche selbst - ist weder der offizielle Ruhestand noch das Alter abzulesen. “Aber anders könnte ich es mir auch nicht vorstellen.”

 

Pfarrer Raimund Arnold und Ast

Kindheit:

Am 3. Juli 1929

wurde Raimund Arnold in

Weiden geboren. Aufgewachsen ist er mit fünf Geschwistern in einer religiösen Familie.

Eine Schwester wurde Ordensfrau, ein Bruder trat einem klösterlichen Orden bei.

Ein weiterer Bruder lebt in

München, eine Schwester

noch in seiner Geburts-stadt.

Berufung:

„Ich war wohl ein wenig vorbelastet“, sagt er zu seiner Berufswahl.

Auch Lehrer hatte er

überlegt.

Nach dem Abitur studierte er schließlich aber doch

an der Theologischen

Hochschule in Regensburg

und empfing im Jahr 1955 im Dom zu Regensburg

die Priesterweihe.

Werdegang:

Zunächst war der junge Priester als Aushilfs-geistlicher in Neusorg

(bei Marktredwitz) tätig,

als Kaplan wirkte er in Kirchenthumbach bei Grafenwöhr und ab 1958 für sieben Jahre in Deggendorf.

1965 trat er seine erste und einzige Pfarrstelle an,

auf die er sich vorfreudig beworben hatte.

Pfarrei:

Zum 70. Geburtstag trat der Geistliche in den

Ruhestand, bis Ende August 2014 war er Pfarradministrator.

Dann wurde die Pfarrei

der Pfarreiengemeinschaft

Waldmünchen zugeteilt.

 

Wirken:

Die Pfarrei Ast verlieh ihm die Ehrenbürgermedaille, seit 2012 ist er Ehren-

bürger Waldmünchens.


 

 Text und Foto: Petra Schoplocher