Der Regensburger schafft Kirchenfenster und Solarkunst – Dazu braucht es Demut, sagt er
„Demut“, bekräftigt Bernd M. Nestler, „und eine gründliche Recherche vor Ort“ sind für ihn wesentliche Merkmale, um seine Arbeit gut machen zu können. Der Künstler baut Kirchenfenster, malt, zeichnet und er entwickelt Solarkunst mit Modulen zur Energiegewinnung. Vor kurzem ist der Münchner mit seiner Partnerin, der Schriftstellerin Gesina Stärz, zurück in die Oberpfalz gezogen.
Kirche Spielberg
In Spielberg, einem Ortsteil von Waldmünchen, hat das Paar die alte Schule gekauft und richtet sie mit Ateliers und Arbeitsräumen wieder her. Dabei stießen Nestler und Stärz in dem über 160 Jahre alten Gemäuer unter vielen Schichten auch auf ein an die Wand gemaltes Alphabet, das sie freigelegt haben. Gegenüber hängen jetzt mehrere Reihen mit Fünf Sekunden-Zeichnungen, die Nestler mit Pinsel und Aquarellfarben in ein anderes Alphabet voll rätselhafter Zeichen, Formen und spannungsreicher Gebilde verwandelt hat.
Mit Josef Oberberger im Dom
Den Zeichenstift hat der gebürtige Regensburger erst seit wenigen Jahren wieder in Gebrauch. Fast 15 Jahre hat er mit dem Stift lediglich Vorzeichnungen, Entwürfe für sakrale und profane Glaskunst gemacht. Die Coronazeit hat ihn dann komplett an die Wohnung gefesselt. Er konnte nicht einmal alleine in sein Atelier, das damals in Holzkirchen lag. Weil seine Partnerin noch mehrere Tage in der Woche in einer Klinik für an Multiple Sklerose erkrankte Menschen arbeitet, musste er jeden Kontakt vermeiden. Das brachte ihn dazu, wieder mit dem Zeichnen zu beginnen.
Beim Zeichnen verbannt Bernd Nestler jeden Gedanken aus dem Kopf und überlässt der Hand mit dem Stift die Führung. Was dabei in wenigen Sekunden entsteht und Bestand hat, wird später weiter bearbeitet und auf der Rückseite mit Titel und Signatur versehen.
Eine weitere künstlerisch plakative Überformung erhalten einige der Bilder durchs Abfotografieren. Nestler hat dafür eine völlig eigene Vorgehensweise entwickelt, die er nur andeutungsweise verrät. Mit dieser Arbeitsweise, Lichtmaltechnik genannt, inszeniert er aus seinen Zeichnungen kraftvoll leuchtende bizarre Farben- und Formverläufe. Nestler hat mit dieser „Licht_Art" eine neue Ausdrucksform gefunden, mit der er die Verletzlichkeit der menschlichen Seele in einem unerwarteten Lichtspektrum zum Vorschein bringen will. 2024 stellt er die Arbeiten in einer Galerie in Bad Kötzting aus.
Einen Namen hat sich der 63-jährige vorrangig mit seiner Sakralkunst gemacht. Dafür braucht „es eine religiöse Tiefe“, ist Nestler überzeugt. Für jedes Kirchenfenster vertieft er sich in die Geschichte des jeweiligen Gotteshauses, seiner Reliquien, der Heiligen und der kunstgeschichtlichen Bezüge und kreiert daraus seine modernen Entwürfe. In einem von ihm gewonnenen internationalen Wettbewerb hat er für die Kathedrale von Roermond in den Niederlanden 2011 prachtvolle Fenster gebaut. In der Sakristei des Regensburger Doms hat er eine Rauminstallation mit seiner Glaskunst entwickelt und in Tegernsee Fenster für die Pfarrkirche St. Quirinus.
Angefangen hat Nestler als Assistent des bekannten Glasmalers und Kunstprofessors Josef Oberberger. Als dieser mit fast 80 Jahren 1985 den Auftrag erhielt, 16 Fenster für den Regensburger Dom zu gestalten, fragte er Nestlers Professor Jürgen Reipka an der Münchner Akademie, ob er ihm einen Helfer vermitteln könnte. Daraus entwickelte sich eine langjährige Zusammenarbeit, in welcher der respektvolle Schüler, als der sich Nestler sah, „so viel gelernt“ hat, „dass mir mit Glas nichts mehr passieren kann“.
Experimentelles für Dächer
Entsprechend kritisch blickt Nestler auf Kollegen mit völlig anderen formalen Schwerpunkten, die ebenfalls Kirchenfenster gestalten. „Falsch beraten“ worden sei beispielsweise Markus Lüpertz „von seiner Glaswerkstatt“. Fachmännisch erläutert er, dass auf kleinen Glasflächen wie bei kürzlich eingebauten Fenstern in der Regensburger Museumskirche St. Ulrich die Gefahr bestehe, dass die Zeichnung überstrahlt werde.
Auch in seinen freien Arbeiten greift Nestler immer wieder religiöse Themen auf. In den 1990ern hat er für das Regensburger Museum eine Serie von Ikonen gemalt, die nur noch schemenhaft oder gar nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form als streng stilisierte Ikonen der Ostkirche erkennbar sind. Bisher kaum praktisch umgesetzt sind dagegen noch die experimentellen Entwürfe von Solarkunst für Dächer und Gebäudefassaden.
Ein Konzept für die Regensburger Dominikanerkirche St. Blasius fand bei der inzwischen abgeschlossenen Renovierung keine Berücksichtigung – obwohl, wie der Künstler betont, damit die Orgel geschützt und eine Menge Energie erzeugt worden wäre.
Mittelbayerische Zeitung, 26.08.2023