Pfarrer Raimund Arnold wird an diesem Mittwoch 95 Jahre alt. Noch immer verkündet er das Wort Gottes. Und das, obwohl er eigentlich seit 2014 in Ruhestand ist. Was ihn antreibt.
Ein Interview zum 95.? Pfarrer Raimund Arnold grinst und winkt ab. „Des braucht’s doch net“, sagt er und schiebt die Begründung gleich hinterher. Das sei keine Leistung, so alt zu werden. Zum 100. – Ja, das wär’ was anderes. Aber zum Halbrunden?
Letztendlich lässt er sich doch überreden, weil er sich auch freue. Nicht darüber, dass er wieder ein Jahr älter wird, sondern dass es ein schöner Anlass sei, mit seinen Gläubigen in großer Runde zusammenzukommen. Denn eben das macht für den gebürtigen Weidener das Priesterdasein aus: die Begegnungen mit Menschen.
Seit 69 Jahren ist Arnold Pfarrer, 59 davon wirkt er in Ast. Eine lange Zeit, in der er viel bewegt und markante Spuren hinterlassen hat. Engagement, das die Aster zu schätzen wissen: Sie widmeten ihrem Ortsgeistlichen nicht nur einen eigenen Platz, den Pfarrer-Arnold-Platz, sondern auch den Meditationsweg mit Engeln und Heiligen, die dem Priester wichtig sind.
Erste und einzige Pfarrstelle
So recht mag es Arnold gar nicht glauben, dass er 95 wird, stecke er doch noch immer voller Tatendrang. Einzig seine Gesundheit bremse ihn da in letzter Zeit immer wieder einmal aus. Die Jahre gingen eben nicht spurlos vorüber, sagt er. Wenngleich er in seinem Leben bereits mehrere schwere Krankheiten überstanden hat, so habe die letzte allerdings dazu geführt, dass er nicht mehr unbeschwert zu jeder Tages- und Abendzeit aus dem Haus gehen könne. Selbst wenn er manchmal damit hadert, er habe sich Routinen geschaffen und damit arrangiert. „Jetzt geht eben alles langsamer.“ Zum Beispiel der Pfarrbrief. Den macht Arnold für seine Schäflein immer noch selbst, auch wenn Ast längst zur Pfarreiengemeinschaft mit Waldmünchen und Herzogau gehört.
Dabei hätte Arnold eigentlich mit 70 in den wohlverdienten Ruhestand gehen können. Zwei oder drei Jahre wollte er damals noch dranhängen. Daraus sind fast 15 geworden. Irgendwann habe er aufgehört, ans Aufhören zu denken, sagt der Geistliche, der noch heute – so oft es geht – mit seinen Gläubigen in Ast, Spielberg und Untergrafenried die heilige Messe feiert. Nur an Hochfesten lässt er sich aushelfen, weil es seit seiner Corona-Erkrankung mit dem Singen nicht mehr so recht klappen will. „Und das gehört doch dazu“, ist er überzeugt. Solange ihm aber der Herr die Kraft gebe, seinen Auftrag zu erfüllen, werde er das tun, versichert Arnold.
Dass Ast dabei seine erste und einzige Pfarrstelle war, sei absolut außergewöhnlich. Normalerweise sollten katholische Priester nach zehn bis 13 Jahren ihre Pfarrei wechseln, erklärt Arnold. Eine Regelung, die er grundsätzlich gut finde. Ebenso die, dass man seine Pfarrei mit Eintritt in den Ruhestand verlassen sollte. Dass Arnold dennoch in Ast bleiben durfte, habe wohl an „einflussreichen Fürsprechern“ gelegen, die er seinerzeit gehabt hätte. „Auch wenn mich andere gerne in der Wüste gesehen hätten“, blieb Arnold in Ast, wo er sich zuhause fühle. „Wo hätte ich denn hin sollen?“ Und Ast sei damals wie heute nicht das Schlechteste gewesen, sagt er und grinst.
Die lange Zeit, die er dort nun tätig sei, habe es mit sich gebracht, dass er Pfarrangehörige zum Teil ein ganzes Glaubensleben lang begleite. Es entstanden persönliche Kontakte und Freundschaften, „die wohl den einen oder anderen bei der Kirche halten“. Wenngleich er der Überzeugung sei, dass niemand seinetwegen in den Gottesdienst komme. Und doch könne er sich vorstellen, „dass einige mit mir gehen“, mutmaßt er. Denn auch in Ast mache sich die allgemeine Abkehr von der Institution Kirche bemerkbar, wenn auch nicht so deutlich wie andernorts.
Große Unterstützung
Welche Auswirkungen die Bildung der neuen Großpfarreiengemeinschaft haben wird, vermag der Geistliche nicht zu sagen. Die Seelsorge im eigentlichen Sinn, das Dasein für die Menschen, werde jedenfalls eine große Herausforderung, vermutet er. Umso wichtiger sei die Arbeit der Ehrenamtlichen in den kirchlichen Gremien, von denen es in Ast zum Glück noch etliche gebe. Ohne sie wäre auch jetzt schon vieles nicht mehr möglich. Überhaupt ist Arnold für die Unterstützung, die er auch im Privaten erfährt, mehr als dankbar. Seit dem Tod seiner Pfarrhaushälterin Berta Bürgmann lebt er allein im Aster Pfarrhaus. Was er schafft, erledigt er selbst, für den Rest bekommt er Hilfe. „Man muss realistisch sein“, sagt er. Auch wenn es immer öfter notwendig ist: sich nur auszuruhen entspreche nicht seinem Naturell. Deswegen geht er täglich eine halbe Stunde spazieren, hält – wie erwähnt – Gottesdienste, macht den Pfarrbrief, begleitet den Seniorenclub bei seinen Treffen und besucht regelmäßig die Donnerstags-Stammtische im Pfarrhof. Gerade Letztere sind ihm wichtig. „Da kann man zusammen lachen“, sagt er. Denn Humor brauche seinen Platz im Leben, ist der Priester überzeugt. So hat er’s die vergangenen 95 Jahre gehalten und so will er es auch in Zukunft handhaben.
Wenngleich sich das Alter immer deutlicher bemerkbar mache, so sei er mit sich und seinem Leben im Reinen, sagt Arnold. Und so soll es auch bleiben. Das jedenfalls ist sein einziger und größter Geburtstagswunsch. Zufrieden bleiben.
Text und Foto: Bucher